AreZou

Anspruchsvolle Texte, eine soulige Stimme und einprägsame Melodien – das beschreibt die Musik von AreZou am besten. „Melancholic Pop“, so bezeichnet sie ihre Stilistik, die mit einer melancholischen Note untermalt ist und doch dynamisch und erfrischend poppig klingt.

AreZou (sprich: Arésu – zu Deutsch „Hoffnung“, „Traum“) ist eine deutsch-iranische Sängerin und Songwriterin, die nicht nur ihre Musik, sondern auch ihre Videos in Eigenregie produziert. Eine One-Woman-Show, die so vielschichtig ist, dass sie sich in keine Schublade stecken lässt.

„Meine Songs und vor allem meine Videos sind allesamt sehr unterschiedlich gestaltet. Wenn es um meine Musik geht, folge ich meiner Fantasie und keinem Marketingkonzept. Ich bin schließlich Künstlerin und kein Produkt. Aber wenn ihr mich so sehen wollt, dann bin ich eben eine imagelose Künstlerin, die keinen USP hat.“, sagt AreZou selbstbewusst.

Frei von jeglichen Konventionen lässt sie ihrer Kreativität allen Raum, den sie benötigt, um sich grenzenlos zu entfalten. „Ich bin schon immer eine Rebellin gewesen, weil ich in vielerlei Hinsicht anders denke, als die Gesellschaft. Das macht sich vor allem in meiner Musik bemerkbar.“

„In Folge unserer Unbeständigkeit vertagen wir’s auf unbestimmte Zeit.“ (Auszug aus „Irgendwann Vielleicht“)

AreZou hat ein Faible für die deutsche Sprache und traut sich auch mal hochgestochen oder pathetisch zu schreiben. Ihr Hang zur Poesie findet sich in ihren Wurzeln wieder. Denn die persische Kultur ist reich an Tragik und Metaphorik. Aber auch in ihrer Familie fließt musikalisches Blut, denn zu ihren engeren Verwandten gehört Marzieh, eine der bekanntesten persischen Sängerinnen.

Geboren ist AreZou 1985 im Iran, auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Mutter, obwohl ihre Eltern zu der Zeit bereits in Deutschland lebten. Aufgewachsen ist sie in Hamburg. „Meine Mutter hat Zuhause ausschließlich persische Musik gehört. Als Kind konnte ich damit nicht viel anfangen und habe lieber meine eigene Musik kreiert.“

Mit 12 hat AreZou angefangen in ihrem 4 Quadratmeter (!) Zimmer Gedichte zu schreiben. Interessanterweise hat sie ihre ersten Textzeilen damals auf Englisch geschrieben. „Wahrscheinlich weil ich damals hauptsächlich englische Musik gehört habe, vor allem viel HipHop.“

Im Alter von 14 Jahren schreibt sie ihren ersten Song und wechselt kurz darauf die Sprache. „Mit Deutsch kann ich mich einfach sehr viel bewusster ausdrücken, da die Sprache vielschichtiger ist.“ Während die Mutter laut persische Musik hört, traut sich AreZou heimlich im Zimmer zu singen, mit einer Fernbedienung in der Hand als Mikrofon.

„Ich wollte eigentlich nie auf der Bühne stehen, geschweige denn vor anderen Leuten singen, aber ich wollte unbedingt Songs schreiben. Also habe ich meine Stimme dazu verwendet, Melodien zu erschaffen. Als Akkord hab ich kostenfreie Beats genutzt. So bin ich durch das Schreiben zum Singen gekommen.“

Kaum einer wusste zu der Zeit, dass AreZou Musik macht, sie nutzte ihre Kunst mehr als eine Art Ventil. „Wenn ich Musik mache, kann ich mich selbst heilen und kompensieren, wer und was mir zugesetzt hat.“, singt AreZou in ihrem Song Melancholisch Moll.

Mit 22 zieht AreZou nach München, macht ein Volontariat bei einer bekannten Fernsehproduktionsfirma und arbeitet daraufhin als Redakteurin und Realisatorin für alle privaten TV Sender. „In meiner Zeit beim Fernsehen bin ich beruflich sehr viel rumgekommen: Paris, Kapstadt, New York, um nur ein paar Orte zu nennen.“

Sie konnte sich kreativ austoben und die Welt bereisen – aber erfüllt hat sie das nicht. „Ich habe sehr viele Entertainment Formate realisiert, bei denen mir der Tiefgang gefehlt hat. Letztlich wollte ich etwas kreieren, was Menschen bewegt und Spuren hinterlässt.“

Da war sie wieder, die innere Stimme, die AreZou sagte, dass jetzt die Zeit gekommen ist, ihrer Berufung als Musikerin nachzugehen. So kündigte sie ihren Job beim Fernsehen und absolvierte ein dreijähriges Musikstudium an einer privaten Akademie, mit den Schwerpunkten: Komposition, Musikproduktion und Tontechnik. “Ich bin ein ganz oder gar nicht Mensch, halbe Sachen liegen mir nicht. Deshalb wollte ich Musik studieren, um auch in der Theorie zu verstehen, was ich bislang nur intuitiv angewandt habe.“

Direkt nach dem Studium nimmt AreZou ihre erste EP in Berlin auf bei Produzent Oliver Som (Robbie Williams, James Blunt, Madeline Juno, Louane…). „Mir gefiel seine Arbeit sehr gut, deswegen habe ich ihn einfach bei Instagram angeschrieben, ihm ein Demo von „Irgendwann Vielleicht“ geschickt und ganz frech gefragt, ob er aus dem Song einen Hit machen kann. Überraschenderweise hat er kurze Zeit später geantwortet und geschrieben, dass ihm der Song gefällt. Seitdem arbeiten wir zusammen.“

Das spielerisch Leichte haben Som und AreZou mit den anspruchsvollen Texten und der bittersüßen Stimmung kombiniert. Ergo trägt die Debüt EP den Titel „Melancholisch Moll“. „Melancholie hat für mich nicht zwangsläufig etwas mit Trauer oder Schwermut zu tun, sondern beschreibt einen inspirierenden Seinszustand aus dem heraus ich die Ideen und Visionen für meine Musik erschaffe.“

„Ich bin jedes Lied, jeder Beat, jeder Ton, jeder Vers, jede Zeile, jedes Wort. Ich bin jede Melodie – jede Melodie“
(Auszug aus „Melancholisch Moll“)

AreZou ist das beste Beispiel dafür, dass Mainstream nicht immer nur einfach sein muss, sondern auch komplex und trotzdem zugänglich sein kann.

AreZou im Gespräch mit Saskia Rienth, Juli 2019